Liebe. Ein Wort, das in allen Büchern, Filmen und Liedern vorkommt. Ich hatte mir nie wirklich die Frage gestellt, was Liebe eigentlich ist. Als ich jünger war, dachte ich, Liebe sei eine Art Schicksal. Man trifft die eine Person, alles fügt sich zusammen, und am Ende verbringt man sein Leben gemeinsam. Man wird alt, erlebt Höhen und Tiefen, und stirbt dann Seite an Seite. Klingt schön, nicht wahr? Vielleicht ein wenig zu romantisch, ja, aber es war ein Bild, an das ich geglaubt habe.
Doch mit den Jahren habe ich verstanden, dass es nicht nur um dieses „Verlieben“ geht. Es ist vielmehr das tägliche Miteinander, das Verständnis füreinander, das uns wirklich bindet. Vertrauen – dieses unsichtbare Band, das alles zusammenhält. Man vertraut, dass der andere für einen da ist, dass man gemeinsam durch das Leben geht, egal was passiert.
Aber was passiert, wenn dieses Vertrauen zu bröckeln beginnt? Was tun wir, wenn plötzlich dieses Gefühl auftaucht, dass etwas fehlt? Wir alle kennen dieses Gefühl, auch wenn wir es vielleicht nicht sofort benennen können. Es schleicht sich langsam ein, eine kleine Unzufriedenheit hier, ein nicht gesagtes Wort dort. Irgendwann ist es nicht mehr zu übersehen. Und in diesem Moment stellen wir uns vielleicht zum ersten Mal die Frage: „Wann wird Liebe zur Fessel?“
Es gibt einen Punkt, an dem es oft schon zu spät ist. Wir haben zu lange versucht, Dinge zu ignorieren, die wir nicht ignorieren sollten. Wir klammern uns an die Hoffnung, dass die Beziehung noch zu retten ist, dass man die alten Gefühle wiederbeleben kann. Doch manchmal sind es nicht die Gefühle, die verschwunden sind – es ist das Vertrauen, das verloren gegangen ist.
Angst beginnt, unser Handeln zu bestimmen. Wir haben Angst, den anderen zu verletzen. Wir haben Angst, etwas kaputt zu machen, das wir einmal so sehr geliebt haben. Oder wir haben Angst, alleine zu sein, nachdem wir so lange Teil von etwas waren. Es gibt auch die Angst vor den Konsequenzen – besonders, wenn Kinder im Spiel sind. Wir machen uns Sorgen, was unsere Entscheidungen für sie bedeuten könnten.
Diese Ängste sind wie unsichtbare Fesseln. Sie halten uns in Beziehungen fest, die längst keine Zukunft mehr haben. Wir fühlen uns gefangen, aber gleichzeitig wissen wir nicht, wie wir uns befreien können, ohne uns selbst und die Menschen, die wir lieben, zu verletzen. Das ist die größte Herausforderung: Wann ist es Zeit loszulassen, auch wenn es wehtut?
Vielleicht ist das Einzige, was noch einen Anker bieten kann, das Reden. So simpel und doch so schwer. Das Aussprechen unserer Sorgen, das Zulassen von Freiraum – das ist der erste Schritt. Manchmal bedeutet Liebe, dem anderen die Freiheit zu geben, die er oder sie braucht, auch wenn das heißt, dass unsere gemeinsame Zeit zu Ende ist.
Es gibt Beziehungen, die uns stärken, und es gibt Beziehungen, die uns schwächen. Die Kunst besteht darin, zu erkennen, wann es Zeit ist, zu gehen. Und manchmal, ja manchmal, ist das Loslassen die größte Form der Liebe.
Eure Anastasia